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Das Paradox: Der Beraterblick auf organisationale Konflikte

Und wieder ist eine Abteilung, ein Team, eine Hierarchiebene im – allzuoft nur latenten – Streit mit der anderen. Um Zuständigkeiten, um Ressourcen, um Deutungshoheiten. Dem Scrum Master ist "Enablement" wichtig, "Leadership" und "Partizipation". Für seinen Linien-Chef zählen aber nur "Zahlen, Daten, Fakten" und die Möglichkeit zum "klaren Durchgriff". Die Strategieabteilung sieht die Überlebensfähigkeit des Unternehmens nur auf neuer Technologiebasis gesichert, für die Controllingabteilung geht es um die Bilanz am Quartalsende und der übergeordnete Bereichsleiter sieht sich zudem gezwungen, politischen Anforderungen gerecht zu werden.

Verschiedene Welten, verschiedene Sprachen, verschiedene Werte – und alle Parteien "gehend weinend aus dem Gespräch", nicht weil ihnen widersprochen wurde, sondern weil sie keine gemeinsame Sprache finden, sich nicht im Ansatz verstanden fühlen und null verstehen, wieso das Gegenüber das Offensichtliche nicht sehen kann.


Die systemische Organisationstheorie (einfach zugänglich z.B. hier: https://bit.ly/2YRy6yc) hat mit dem Verständnis von Organisationen als Gebilde der Paradoxiebearbeitung eine in unserer Praxis immer wieder hochwirksame Alternative zu herkömmlichen Formen der Konfliktbearbeitung bereitgestellt. (Auch für mich als ausgebildeter Mediator, der in genuin interpersonellen Konflikten jederzeit gerne wieder auf die klassischen Ansätze, z.B. nach Besemer oder Thomann, zurückkommt.)

Mit dem systemischen Blick wird die Organisation verstanden als Antwort auf Anforderungen ihrer Umwelt. Und da deren viele sind, muss die Organisation sich intern so strukturieren, dass sie diese verschiedenen Anforderungen befriedigt. Eine Abteilung bspw. sorgt für die Entwicklung, eine andere für die Produktion und wieder eine andere für die Vermarktung. Dass – klassisches Konfliktfeld – Entwicklung und Vermarktung zwei verschiedene Ziele haben und einen je anderen Wert schützen ist offensichtlich. Und dass diese dadurch einen Zielkonflikt ausbilden auch. Das Kunststück, das der Paradoxie als Erklärungsmodell gelingt, ist nun die Entpersonalisierung. Wenn gemeinsam verstanden wird, dass es die genuine Aufgabe der Organisation ist, sich widersprechende Ziele gleichzeitig zu erfüllen, wird klar, dass die mit diesen Zielen betrauten Rollenträger keineswegs "schwierige Personen" sind, sondern vielmehr konsequent ihren Auftrag verfolgen, wenn sie miteinander in Zielkonflikte geraten.

Nun lassen sich solche organisationalen Paradoxien, Zielkonflikte und Widersprüche nicht auflösen. Aber sie lassen sich mittels verschiedener Strategien bearbeiten und als dynamisches Spannungsfeld – auch gemeinschaftlich – bespielen. Um das Führungssystem eines Unternehmens auf diese Weise "paradoxiekompetent" zu machen bedarf es zunächst der Anerkennung der zugrundeliegenden Widersprüche sowie der damit verbundenen Werte als für die Organisation (in ihrer Umweltkopplung) notwendig. Wenn sich zu dieser Erkenntnis die Einsicht gesellt, dass eine dialogische Haltung den besten Raum gibt für die Gleichzeitigkeit verschiedener Werte, ist eine Grundlage geschaffen, um die Spannungsfelder kreativ und gemeinsam zu erkunden und nach dritten Werten, Win-Wins und anderen Formen des "Sowohl-als-Auch" zu suchen. Und dabei den anderen entspannt so anders sein zu lassen wie er (oder sie) nun mal als Person ist.






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