Trifft der Mensch auf eine Organisation und wird "Teil" von ihr, so ereignen sich wahrlich seltsame Dinge...
Vormals noch unabhängig voneinander gehen beide, Mensch und Organisation, während dem Bewerbungs- oder Recruiting-Prozess auf einen beschnuppernden Annäherungskurs mit großem Interesse an der "Schauseite" des jeweilig anderen. Kommt es zu einer Anstellung, geschieht die Metamorphose zum Zeitpunkt der letzten Unterschrift: Der Mensch wird zu "Personal", angelegt in einer Akte, soll sich mit der Organisation "identifizieren" und muss "geführt" - manchmal sogar "abgeholt und mitgenommen" - werden.
Ab jetzt wird auch sichtbar, welche "Kultur-Katze" er im Sack mitgekauft hat - meist ohne, dass das auch nur im Kleingedruckten stünde. Von Tag eins an gilt es nun, sich an die Erwartungen, Interaktionsmuster und ungeschriebenen Gesetze der Organisation anzupassen, einzufügen und mitzuspielen. (Und gespielt werden muss - wie wir von Erving Goffman ja wissen.)
Der Mensch als Person (das ist der Teil des Menschen, der für die Organisation sichtbar und relevant ist) erhält nun die Aufgabe eine "Rolle zu spielen". Dieser Schuh passt mal besser mal schlechter. Wenn er über die Zeit sehr gut passt, kann es dem Menschen passieren, dass er die Rolle mit sich selbst verwechselt - und dann in Identitätsprobleme fällt, wenn die Rolle von der Organisation gar nicht mehr gebraucht wird.
Zudem erhält die Person Einladungen, mehr oder weniger von ihrem Menschsein mit der Organisation zu teilen. So manche Organisationen können dabei regelrecht "emotional gierig" werden und mit ihren Ansprüchen weit in das Privatleben "ihrer" Mitarbeiter*innen hineinreichen. Begeistert soll man sein, leidenschaftlich bei der Sache oder gleich ein "Brand-Evangelist". Gleichzeitig weiß die Organisation nichts anzufangen mit dem "Restbündel" Mensch, das sich hinter der Person des Rollenträgers zwangsläufig befindet, mit ihren Krankheiten, Familiendramen, Suchtproblemen und Freizeithobbies. Und sie interessiert sich auch nicht dafür - es sei denn sie meint dieses als Ressourcen für sich vereinnahmen zu können. Sich jedoch ernsthaft für einen Menschen interessieren - das kann Organisation auch gar nicht, es ist nicht Teil ihres Programms. Dies wiederum kann sehr enttäuschend sein für so manch illusionär Verklärten, der der Narration der "Company-Family" allzu sehr Glauben geschenkt hat. Schlimmer noch als bei eindeutig kommerziellen Unternehmen trifft es dabei Menschen im Sozial-, Gesundheits- oder Non-Profit-Bereich. Hier ist die Illusion Teil des Programms und manchmal für Außenstehende geradezu unvorstellbar überhöht.
Schon beim ersten kursorischen Blick auf die interessante Begegnung von Mensch und Organisation wird also deutlich, dass sie mit einer ganzen Reihe von als höchst persönlich erlebbarer Dynamiken einhergeht - die meisten davon deutlich unterhalb der sichtbaren Oberfläche.
Wie das beschriebene Phänomen aus systemtheoretischer Perspektive ausschaut - warum "privat" nicht "persönlich" und "Sachlich bleiben!" keine Lösung ist - davon soll in Zukunft die Rede sein. Denn am Ende hängt doch wieder alles mit allem zusammen...
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